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"Hamburger Abendblatt" vom 12. 03. 2004 - In Ghana Königin - in Hamburg zu Hause

Freitag, 12. März 2004

Hamburg

 

 

 

In Ghana Königin - in Hamburg zu Hause

Hilfsprojekte: Geschäfte sind nicht alles, erkannte die Unternehmerin Cornelia von Wülfing - und begann, in Ghana Schulen und Brunnen zu bauen. Die Menschen dort ehrten sie dafür auf ihre Weise . . .

Von Heike Müller

Hamburg - Materieller Wohlstand hatte in Cornelia von Wülfings Leben immer eine große Bedeutung gehabt. Bis zu jenem Schlüsselerlebnis vor gut drei Jahren. Die Unternehmerin hielt sich, wie so oft, in Ghana auf, als sie einen Anruf aus der Heimat bekam: Einbrecher hatten ihre Hamburger Wohnung verwüstet und alle Wertgegenstände gestohlen - teure Uhren, Erbstücke, ihren gesamten Schmuck. Das Merkwürdige war ihre Reaktion: "Ich blieb ganz ruhig", erzählt sie, "und wunderte mich über mich selbst."

Früher, da hätte sie sich furchtbar aufgeregt und den Schaden beklagt. Doch nun kam ihr nur eines in den Sinn: Niemand ist krank, niemand ist verletzt. Alles andere ist ersetzbar. In diesem Augenblick spürte Cornelia von Wülfing zum ersten Mal, dass ihre Arbeit in Schwarzafrika sie verändert, dass sie sie vor allem Geduld und Gelassenheit gelehrt hatte.

Cornelia von Wülfing (49) lebt in zwei Kulturen - Hamburg die eine, Alavanyo, eine der ärmsten Provinzen von Ghana, die andere. Hier ist sie eine erfolgreiche Unternehmerin, importiert Kunst und Heilmittel aus Afrika. Ihr Büro liegt in einer Altbauwohnung nahe der Außenalster. Im offenen Kamin brennt Feuer, eine ghanaische Batik hängt an der Wand.

Dort, in Alavanyo, treibt sie Entwicklungshilfe-Projekte voran. Zum Dank haben die Bewohner sie vor vier Jahren zu ihrer Königin gekrönt und ihr den Namen Ngoyifianyonu Akosua I. gegeben - die "an einem Sonntag geborene Königin des Fortschritts". "Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich die Aufgabe damals wohl abgelehnt", bekennt Cornelia von Wülfing heute. Doch sie sagte zu - und fliegt seither drei- bis viermal jährlich in das westafrikanische Land. Sie gehörte auch zur Delegation von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Ende Januar mehrere Länder Schwarzafrikas besuchte. Erst seit wenigen Tagen ist die Königin von Ghana wieder in Hamburg, um neue Projekte voranzutreiben.

Eine echte Königin? "Ich bin keine Herrscherin und habe keine Untertanen", klärt Cornelia von Wülfing auf. Ghana ist eine Demokratie, ein armes Land, aber stabil. Und neben den modernen politischen Strukturen existiert nach wie vor die traditionelle Ordnung der Könige und Chiefs. "Sie wirken beratend bei politischen Entscheidungen mit." Genau deswegen gab die Hamburgerin auch nach, als ihr der Wunsch der 40 000 Einwohner angetragen wurde, sie zur Königin zu ernennen. "Ich wusste, dass ich vor Ort mehr erreichen kann, wenn ich in der traditionellen Ordnung anerkannt bin." Eine Königin findet Gehör.

Die Krönung: Als Cornelia von Wülfing zur feierlichen Zeremonie einflog, überkam sie plötzlich Furcht - obwohl sie seit 20 Jahren regelmäßig nach Afrika reist, ihr Lebensgefährte Philipp Jebsen sie unterstützte und ihre Tochter Sara, damals 21, sie begleitete. Cornelia von Wülfing hat nicht nur Hemingway gelesen und Safari-Lodges besucht, sondern auch armselige Krankenhäuser sowie Hütten ohne fließendes Wasser und Strom von innen gesehen. Sie war vorbereitet, und trotzdem: "Ich hatte Angst, als Fremde in eine Welt von Traditionen und Riten einzubrechen, in der ich nicht zu Hause bin und in der ich nicht weiß, was mich erwartet."

In ihrem Buch "Mein Leben als Königin von Ghana" (Ullstein, 317 S., 22 Euro) notierte Cornelia von Wülfing über ihre Krönung: "Nach einigen Begrüßungsworten in Ewe, der Sprache, die ich noch nicht verstehe, werde ich von den Frauen umringt und in eine Hütte geschoben. Hier herrscht absolute Dunkelheit. Kein Lichstrahl dringt in den fensterlosen Raum. Jetzt habe ich keinen Dolmetscher mehr. Niemand spricht Englisch, und ich spreche nicht Ewe. Ich fühle mich total allein. Mir wird bedeutet, dass ich mich ausziehen möge. Ich entkleide mich bis auf die Unterwäsche. Dann reicht man mir ein sackähnliches Gewand, das einen seltsamen Geruch verströmt. Wie ich später erfahre, handelt es sich um ein jahrhundertealtes Gewand der Ahnen, in dem schon viele Vorfahren die kommende Zeremonie, die ich noch vor mir habe, durchlebt haben."

Vier Jahre später. Alavanyo am Voltasee, dem größten Stausee der Welt, ist eine hügelige, grüne Landschaft. Cornelia von Wülfing hat dort eine Schule und ein Mädchenwohnheim finanziert, ein Ausbildungsprojekt für Näherinnen auf den Weg gebracht, einen Schulbus organisiert und Pumpen für die Bewässerung der Felder herangeschafft. Mit ihrem Verein Alavanyo e. V. sammelt sie Spenden, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, jeder Euro kommt an. Wenngleich sie "Königin des Fortschritts" heißt, nimmt sie Rücksicht auf die tradierten Lebensformen: "Fortschritt bedeutet dort nicht Technik, sondern Bildungsstätten, Arbeitsplätze und Krankheitsvorsorge", sagt Cornelia von Wülfing.

Zur Einweihung des Mädchenwohnheims reiste sie wieder dorthin. "Als wir den Hügel zum Gebäude hinaufschreiten, bildet sich ein Spalier von mehreren Hundert Menschen", berichtet sie in ihrem Buch. "Dann folgt die feierliche Enthüllung meines Bildes über dem Eingangsbereich. Als ich in Hamburg von dieser Absicht erfuhr, habe ich versucht, sie zu vereiteln. Mir ist diese Ehrerbietung fremd und unangenehm. Auch wenn diese Form, Dankbarkeit und Respekt zu zeigen, in Ghana üblich ist, bin ich zurückhaltend bei der Darstellung meiner Person als Königin. Doch irgendjemand muss dieses bei der Krönungszeremonie gemachte Bild archiviert haben. Da mich so viele Augenpaare erwartungsvoll anblicken, lächle ich zum Zeichen meiner Freude."

Auch Sitsofe Ametefe kann wieder lachen, noch ein Erfolg der Initiativen aus Hamburg. Der damals 16-Jährige war durch einen Tumor im Gesicht entstellt, als er 2002 für die in Ghana unmögliche Operation nach Deutschland kam. Jetzt ist er geheilt und absolviert in Alavanyo eine Ausbildung zum Elektriker. Was ihn in Hamburg am meisten amüsierte, war der Mäusezirkus auf dem Dom: "Bei uns werden Mäuse gejagt, hier haben sie sogar eigene Karussells."

Cornelia von Wülfing hat dank der Erfolge ihre Zweifel verloren. Die Projekte laufen. "Es ist schön, wenn ich merke, dass die Dinge, die man angeregt hat, tatsächlich entstehen", sagt sie. Im Moment sucht sie Pateneltern für bedürftige Kinder, 60 konnte sie schon vermitteln. "Heute bin ich glücklich, dass ich den Mut hatte, die Verantwortung zu übernehmen."

erschienen am 28. Feb 2004 in Hamburg